das bauhaus erneut im kampf gegen rechts

status: in progress

das bauhaus ist ein paradebeispiel für das gestörte verhältnis der deutschen zur kultur.

am 15. oktober 2024 reicht dr. hans-thomas tillschneider der afd-fraktion einen antrag beim landtag sachsen-anhalt ein. darin gefordert: eine »kritische auseinandersetzung mit dem bauhaus«.

*designandcommonsense empfiehlt für ein besseres verständnis der sachlage, die sitzung hier im videobeitrag zunächst anzusehen.

die debatte um das bauhaus in sachsen-anhalt zeigt eine tiefgehende ideologische auseinandersetzung, die sich nicht nur um architektur, sondern um gesellschaftliche grundwerte dreht. die vorgebrachten argumente gegen das bauhaus entstammen einer langen tradition des kulturkampfes, in dem modernistische strömungen als bedrohung nationaler identität dargestellt werden. in der gegenwärtigen politischen debatte wird das bauhaus als vermeintlich »menschenfeindlich« und als symbol einer »globalistischen uniformität« kritisiert. diese argumentationsweise simplifiziert die historischen und funktionalen grundlagen der bauhausbewegung und missachtet ihren tiefgreifenden einfluss auf architektur, design und soziale innovation.

die kritik an der modernität des bauhauses bedient sich einer rhetorik, die bereits in den 1920er jahren gegen die bewegung verwendet wurde. die vorstellung, traditionelle architektur sei inhärent »gut«, während moderne architektur das menschliche bedürfnis nach behaglichkeit ignoriere, basiert auf einer stark vereinfachten dichotomie, die der realität nicht gerecht wird. tatsächlich sind viele als »traditionell« empfundene bauten konstruktiv modern, lediglich mit stilistischen elementen versehen, die eine nostalgische wirkung erzielen. die fundamentale bauweise bleibt jedoch material- und technikbedingt ein produkt ihrer zeit. die reduzierung der architektonischen diskussion auf eine stilistische gegenüberstellung zeigt, dass es sich hierbei weniger um eine sachliche debatte als vielmehr um eine politische instrumentalisierung handelt.

die derzeitige kritik am bauhaus ist auch im kontext einer umfassenderen metapolitischen strategie zu verstehen. kulturelle debatten werden gezielt genutzt, um ideologische positionen zu verankern und langfristig gesellschaftliche werte zu verschieben. die kulturpolitik wird dabei lediglich genutzt, um die akzeptanz nationalistischer und autoritärer vorstellungen in der bevölkerung zu erhöhen. dazu gehört die delegitimierung von institutionen, die für eine offene, internationale und innovative gesellschaft stehen. in diesem sinne ist der antrag zur neubewertung des bauhauses nicht nur eine einzelne kulturpolitische initiative, sondern teil einer umfassenderen strategie der einflussnahme auf den vorpolitischen raum.

ein besonders bedeutender aspekt der debatte ist die historische parallele zur nationalsozialistischen ideologie. die begriffe und argumentationsmuster, die gegen das bauhaus verwendet werden, haben deutliche vorbilder in der völkischen bewegung der 1920er und 1930er jahre. bereits damals wurde das bauhaus als »fremdbestimmt« und »entartet« diffamiert, um eine ideologische abwertung moderner architektur und kunst zu legitimieren. die gegenwärtige kritik knüpft bewusst oder unbewusst an diese traditionslinie an, indem sie die internationalität des bauhauses als bedrohung nationaler kultur darstellt.

allerdings ist die zentrale behauptung der antragsteller, das bauhaus werde unkritisch glorifiziert, nachweislich unzutreffend. experten weisen darauf hin, dass eine fundierte auseinandersetzung mit dem bauhaus und seinen strömungen längst erfolgt ist. die kritik der afd basiert damit auf unkenntnis oder bewusster verzerrung. tatsächlich wurde in der forschung intensiv herausgearbeitet, dass das bauhaus keineswegs ein monolithischer, ideologisch einheitlicher block war. in ausstellungen wie »bauhaus und nationalsozialismus« wurde deutlich gemacht, dass etwa 15 prozent der bauhaus-schüler mitglieder der nsdap wurden, darunter auch absolventen, die der sa und ss beitraten. besonders drastisch ist das beispiel des bauhaus-schülers fritz ertl, der als architekt an der planung von auschwitz beteiligt war. auch andere problematische aspekte, etwa die esoterischen und rassenideologischen elemente in den lehren von johannes itten oder mies van der rohes pragmatische annäherung an die nationalsozialistischen machthaber, wurden eingehend untersucht.

diese historischen befunde zeigen, dass das bauhaus keineswegs unkritisch verherrlicht wird, sondern bereits in der forschung differenziert betrachtet wurde. vielmehr ist es die afd, die mit ihrem antrag eine schwarz-weiß-darstellung propagiert, die der vielschichtigkeit der bauhaus-bewegung nicht gerecht wird. die forderung nach einer kritischen auseinandersetzung ist überflüssig, da sie längst stattgefunden hat. vielmehr verdeutlicht der antrag die strategie, durch das heraufbeschwören eines angeblich unkritischen umgangs mit dem bauhaus eine kulturdebatte zu instrumentalisieren, die in erster linie politischen zwecken dient.

die schließung des bauhauses 1933 hatte weitreichende folgen für die architektonische entwicklung deutschlands. wäre das bauhaus nicht durch den nationalsozialistischen druck zerschlagen worden, hätte deutschland seine stellung als führendes zentrum für moderne architektur und design ausbauen können. stattdessen verteilten sich die führenden köpfe der bewegung auf der ganzen welt, insbesondere in die usa, wo sie an universitäten wie »harvard« und dem »mit« ihre ideen weiterentwickelten. viele der bedeutendsten innovationen in architektur, stadtplanung und design, die das 20. jahrhundert prägten, entstanden somit außerhalb deutschlands. die nationalsozialistische politik beraubte deutschland einer herausragenden intellektuellen und künstlerischen avantgarde, deren einfluss andernorts eine neue blüte fand.

antrag der fraktion afd vom 15.10.24 / landtag von sachsen-anhalt

kontextuell falsch / einseitige darstellung

faktisch falsch

inhaltliche auseinandersetzung

  1. die »lebensqualität der bewohner« muss im historischen kontext betrachtet werden. die zahl der menschen, die auf öffentliche und private wohlfahrt angewiesen waren, hatte sich 1924 im vergleich zur vorkriegszeit vervierfacht. der erste weltkrieg hinterließ 1,7 millionen kriegshinterbliebene, 1,5 millionen kriegsbeschädigte und 3,1 millionen klein- und sozialrentner, witwen und waisen, deren renten durch inflation entwertet wurden. eine massive wohnungsnot machte bezahlbaren wohnraum zur dringlichkeit.
    das idealisierte bild der afd vom »schönen traditionellen bau von einfamilienhäusern« war angesichts dieser realität illusorisch. es musste eine neue art des bauens entwickelt werden, die es ermöglichte, den kriegsgeplagten menschen eine »menschenwürdige« unterkunft zu bieten. revolutionäre konzepte wie das badezimmer neben der küche zu platzieren, um deren wärme doppelt zu nutzen, waren wegweisend. um platz zu sparen, setzten bauhaus-architekten auf eingebaute möbel, wie in die wände integrierte schränke und betten. zudem entstanden variable grundrisse mit verschiebbaren wänden, um räume je nach bedarf flexibel zu nutzen. große fensterflächen und weiß gestrichene wände sorgten für eine optimale tageslichtnutzung und reduzierten so den energieverbrauch. gemeinschaftseinrichtungen wie wäschereien, kinderbetreuungen oder gemeinschaftsgärten förderten das soziale miteinander. zudem entwickelten die architekten durchdachte lüftungssysteme mit querlüftungskonzepten für frische luft und gesunde wohnbedingungen. häufig werden bauhausbauten mit funktionalistischen wohnblocks der 60er und 70er jahre verwechselt. doch die wohneinheiten der bauhäusler zeichneten sich durch bis ins detail durchdachte lösungen aus, die den alltag erleichtern sollten. man bedenke, dass diese ideen in einer zeit entstanden, in der das pferd noch das dominierende fortbewegungsmittel war.

  2. es gibt keinen »bauhaus-stil«. anders als wie im volksmund irrtümlicherweise bekannt war das bauhaus keine kunstrichtung, sondern mehr eine idee der methode. es als »stil« zu bezeichnen ist designwissenschaftlich falsch. durch die vielfalt der schüler und meister gibt es nicht den einen »bauhaus-stil«.

  3. ziel des bauhauses war nicht die vereinheitlichung von kunst und design, sondern die vereinheitlichung von kunst und technik bzw. kunst und handwerk. das wort vereinheitlichung hat hier aber nicht wie im afd-antrag gewollt geschildert eine negative konnotation. unter vereinheitlichung war hier nicht die zermürbung der vielfalt, sondern die kombination der besten eigenschaften aus beiden bereichen, angedacht. schranken zwischen künstler und handwerker sollten abgerissen werden. tatsächlich stammt die idee dieser art von vereinheitlichung aus der gothik des 13. jahrhunderts.

  4. individuelle und regionale besonderheiten gingen trotz des einflusses moderner prinzipien nicht verloren. das bauhaus legte großen wert auf individualismus und handwerkliche fähigkeiten. bauhaus-meister georg muche beschrieb die schule als einen ort, an dem gegensätzliche meinungen aufeinandertrafen, jedoch eine formel gefunden wurde, um widersprüche produktiv aufzulösen. ein blick auf bauhausbauten weltweit zeigt, dass regionale gegebenheiten sehr wohl berücksichtigt wurden. dies liegt bereits in der natur des bauens, da unterschiedliche länderspezifische vorschriften eingehalten werden mussten. so durften hochhäuser in den usa weit höher gebaut werden als in deutschland, wo die maximale höhe auf 13 stockwerke begrenzt war, um eine feuerwehrrettung im brandfall zu gewährleisten. zusätzlich mussten in deutschland feuertreppen durchgehend zugang zu tageslicht haben, wodurch sich zwangsläufig regionale unterschiede ergaben.

  5. wenn es um die ideologisierung von kunst und architektur geht, ist sie vor allem im »dritten reich« offensichtlich. anders als die nationalsozialisten, die moderne strömungen gezielt unterdrückten und als »entartet« diffamierten, verfolgte das bauhaus keine ideologische agenda und bekämpfte keine gegenbewegungen. vielmehr stand es für einen offenen diskurs, in dem unterschiedliche ansätze und ideen nebeneinander existieren konnten.

  6. der einfluss des bauhauses auf bestimmte regionen war nie so groß, dass verwässerungen regionaler eigenheiten stattgefunden haben. erneut ist auf die verwechslungsgefahr mit wohnblocks der 60er und 70er jahre zu verweisen.